Jörg Mauthe / Günther Nenning - Schönheitsmanifest

Das schöne Land Österreich wird immer häßlicher.
Die Betonierwut der Technokraten; die Gefühllosigkeit der Politiker; die Brutalität
zügelloser Produktion; die ebensogroße Lüge vom Konsumglück; eine allen politischen
Lagern gemeinsame Verachtung von Geist, Vernunft und menschlichem Gefühl haben es
dahin gebracht:
… unsere Städte sind häßlich und unwirtlich geworden;
… unsere in Jahrhunderten gewachsenen Kulturlandschaften werden zerschnitten,
verwüstet, zerstört;
… unwiederbringliche Naturschätze werden verbetoniert, verstümmelt, dem kommerziellen
Ausverkauf preisgegeben;
… alle jene Tugenden sterben aus, ohne die eine Gesellschaft nicht gedeihen kann.
Verroht und verwahrlost sind Sitte, Sprache und Gefühl für nachbarschaftliche Solidarität.
Wir stellen traurig fest, daß das Schöne in keinem Parteiprogramm auch nur erwähnt
wird.
Das Schöne wie das Gute sind aber die beiden fundamentalen Maßstäbe allen
menschlichen Tuns und Denkens.
Die pausenlose Verhäßlichung unserer Welt ist ein Skandal.
Machthaber sind ja oft unerquicklich, aber die früheren haben wenigstens Schönheit
hinterlassen. Die heutigen zerstören sie.
Wir zweifeln nicht daran, daß sich die Frage nach der Schönheit sehr bald zu einer
Überlebensfrage nicht nur der politischen Parteien, sondern unserer Demokratie
überhaupt entwickeln wird. Der Widerwille gegen die Verhäßlichung unserer Welt
wird in vielfältigen, auch politischen Formen immer deutlicher: in steigender Alltags-
Aggressivität, zunehmender innerer Emigration aus dem Leben der Gesellschaft, immer
größerer Entfremdung vor allem der jüngeren und sensibleren Menschen von der
herkömmlichen Politik.
Ein Zeitalter geht zu Ende, ein neues beginnt. Die Menschen merken es, die meisten
Politiker nicht. Die tägliche Vernichtung von Schönheit muß aufhören.
Wir fordern alle politisch Tätigen, die Parteien, aber auch unsere Journalistenkollegen in
allen Medien auf, dem Schönen Aufmerksamkeit, Schutz und Hilfe zu gewähren.
Wir fordern die Machtausübenden auf allen Ebenen, vom Minister bis zum
Sachbearbeiter, vom Landeshauptmann bis zum Bürgermeister der kleinsten Gemeinde,
vom Kammerpräsidenten bis zum Betriebsrat auf, alles in ihrer Macht und ihrem
Einflußbereich zu unternehmen, was eine Vermehrung der Häßlichkeiten verhindern kann.
Wir verlangen, daß Schönheit in ihre uralten Rechte wiedereingesetzt wird.